Samstag, 1. Mai 2010
Abschweifende Gedanken, oder: Die kurze Reise einer quitschigen Kinderstimme zu MadMax.
Am PC sitzend, die Arbeit von gestern nachholend, höre ich ein Kind durch das geöffnete Fenster. Es muss zwischen 3 und 5 Jahre alt sein. Jauchst freudig mit einer Quitschestimme. Ich stelle mir die Mutter vor, wie sie mit einem Lächeln im Gesicht in der Nähe steht, ihr Kind mit Glücksempfindungen anschaut. Der Vater wurde wohlmöglich schon lange abserviert. Ein Arschloch, was sonst. Der nächste steht statt dessen neben der Mutter. Anfang 20, sich bemühend, Papa für ein fremdes Kind zu spielen. Eine ganz neue Erfahrung für ihn. Noch nicht realisierend, dass auch er diese Rolle nur für eine kurze Zeit spielen wird. Bis er vielleicht irgendwann ein eigenes Kind hat, die Rolle mit wirklichen Vatergefühlen spielen wird, für eine begrenzte Zeit, bis ein anderer so stehen wird, wie er jetzt, die Position des Vaters spielend.

Der Begriff "Familie" verliert zunehmend seine Bedeutung und kann irgendwann aus dem Lexikon gestrichen werden. Statt dessen tritt die "Selbstverwirklichung", im Grunde nichts anderes als Egoismus, in den Vordergrund. Nicht alleine der natürliche Vater ist unwichtig, nein, das Kind selber auch, wird in den Ganztagskindergarten und später auf die Ganztagsschule abgeschoben. Das Kind ist letztendlich nur eine Last, was man aber nicht zugeben darf, weil es schändlich ist. So wie der Partner nach Zeit X zur Last wird und neue Reize hermüssen. Reize, Reize, ja, Reize, her damit, oben rein, links, rechts, unten, raus. Schnell, immer schneller. Nimmersatt. Overkill.

Der Mensch sperrte sich in einen Verhaltenskäfig, ausgebettet mit Ehre, Anstandsgefühlen und Moral. Dieser Käfig löst sich immer mehr auf und wir werden wieder zu dem, was wir ohne diesen Käfig sind: Affen, durch die Gegend fickende, egoistische und gewissenslose Tiere.

Anstatt einer kleinen Gruppe, einer kleinen Gemeinde, wie es noch zu Anfang des 20. Jahrhunderts vor der Industralisierung die Regel war, überschaubar, geordnet, gehütet von Gott und Ehre, befinden wir uns in einem riesengroßen, brodelnden Eimer, in dem jeder nach oben strebt, rücksichtslos, um sich schlagend, notfalls mit dem Baseballschläger, Moral gibt es nur noch als Begriff im Lexikon. Und dieser Eimer wird nicht mehr zu den ehemals kleinen Backformen, kleine Sandfiguren formend, eher wird der Eimer noch etwas größer, nicht mehr viel, aber etwas geht noch. Und die Regeln darin werden immer rauher. Der Eimer wird zunehmend zu etwas, was als Cage-Fighting bekannt ist, zu etwas, was wir aus "Mad Max" kennen.

Ich schließe das Fenster, setzt mich wieder hin, starre auf das TFT und arbeite weiter.

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wow... ein wenig verbittert?
Ich schreibe eigentlich eher selten Kommentare, aber in diesem Fall muss es sein. Es gibt sie noch, die "Moral", die "glückliche Familie". Ich glaube dran, auch wenn diese Moral, und die Familie nicht mehr gezwungen sind, sondern frei gewollt und bewusst entschieden.
Ist das nicht viel schöner? Wenn Menschen sich bewusst füreinander entscheiden, und auch beieinander bleiben? Nicht wegend er Nachbarn, sondern weil sie es wollen?

Es stimmt, der "Käfig" löst sich immer mehr auf, aber die, die entstehen, die "ausbrechen" landen nicht alle in einer Talk-Show. Viele von ihnen leben "moralhafter", da frei gewählt, als die Menschen, die noch im Käfig sitzen.

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Die Realität verbittert manchmal, ja. Aber da muss man durch.

Was du schreibst, sich bewusst für die Familie entscheiden, das gibt es, wie es viele Variationen gibt. Der hauptsächlich Trend ist aber, so meine ich, wie beschrieben.

Ob sich ein unreifes Gehirn, sich Anfang 20 befindend oder gar noch darunter, sich "bewußt" für eine Familie entscheidet? Das glaube ich nicht. "Mamaaaaa, ich bin schwanger!!!", schreit die 16'jährige, den Freund und Kindesvater schon längst wieder abserviert, der x'te nach ihm steht mit Fragezeichen im Kopf daneben, während er sich ein schreiendes Baby vorstellt. Und ein paar Jahre älter sieht es nicht viel anders aus. Der einzige Unterschied ist, dass nicht unbedingt eine Mutter damit schockiert werden muss, die Verantwortung nicht mehr so leicht abgeschoben werden kann.

Es gibt sie noch, ja, daran glaube ich auch, daran glaubte und damit hoffte ich immer. Es ist aber zur Ausnahme geworden. Die heile Familie, mit echter Mutter und vor allem echten Papa, ein Paar bleibend, dauerhaft, wie in der Kirche sich versprochen. Es ist aber zur Ausnahme geworden.

Warum sich lange mit etwas abgeben, was Probleme bereitet, wenn es leicht ersetzt werden kann? Schwupps, der nächste Partner ist da. Heute bleibt man nicht mehr zusammen, kämpft sich gemeinsam durch, versucht Probleme gemeinsam zu lösen. Das machen nur noch wenige Paare. Die meisten lassen es einfach, geben die Beziehung auf, das ist doch viel einfacher. Erst wenn der Wechsel zunehmend schwieriger wird, weil sich vielleicht das Alter langsam bemerkbar macht, wird angefangen, inne zu halten, der Zeittakt etwas geändert, der von klein auf Schnelligkeit getrimmt ist.

Doch, ich meine, ich liege mit dieser Ansicht richtig. Der Zerfall der Moral ist an der zunehmenden Brutalität der Kiddies zu beobachten. Die Welt ist näher zusammen gerückt. Die Welt ist zu einer Großstadt geworden, dank Internet, Mobiltelefon und Fernsehen.

Heute kann ein Taliban, der in der Wüste sitzt, ein ganzes Land bedrohen. Nicht nur mit Hilfe des Internets, sondern vor allem mit Hilfe von Zeitungen wie "Bild", die deren Sprachrohr, deren Megafon darstellt.

Mein Eintrag beinhaltet viele Bereiche. Daher der Titel, der das Wort Reise verwendet. Hier auf alle Bereich einzugehen, ist mit jetzt nicht möglich. Die heute gewandelte Familie ist nur ein Bereich. Der große, brodelnde Eimer, in dem wir uns heute alle befinden, weil die Welt dank Informationstechnologie nah zusammengerückt ist, dass sogar ein Indio im Dschungel Brasiliens quasi neben uns sitzt und uns mit dem Stöckchen durch seine Nase und der Beatles-Frisur angrinst, ist wiederum ein anderer Bereich.

Es war nur ein abschweifender, kurzer Gedanke, getriggert durch eine zarte Kinderstimme, mich erinnernd an das, was ich selber schon erlebte, erfahren habe, beobachtete und jeden Tag neu bestätigt sehe. Entgegen dem, was ich mir wünsche und ersehne.

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Interessant, dass du einen Kommentar geschrieben hast. Nur sehr selten schreibst du Kommentare, hast du selber erwähnt, warum also gerade jetzt?

Warst du vielleicht einst auch meiner Meinung, hast diese aber gewandelt? Oder kämpfst du innerlich noch immer gegen eine Ansicht, die der Meinigen sehr ähnlich ist?

Deine Worte dienen sicher nicht, mich in meiner Ansicht zu verändern, was könnte dir an mir liegen. Auch nicht dazu, deine Ansicht einer breiten Masse kund zu tun und damt deine Meinung und dich selbst zu präsentieren, dazu ist es hier zu anonym. Nein, deine Worte dienen viel mehr dir selbst. Irgendetwas muss dich innerlich bewegt haben, etwas, was zu deinem Kommentar führte. Vielleicht irre ich mich auch. Auf jeden Fall möchte ich dir für deinen Kommentar danken, denn er regt mich zum Überdenken.

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Warum ich mich "gezwungen" sah, ja, es war schon irgendwie eine Art Zwang, kann ich dir auch nicht erklären... ich weiß es nicht.

Und du hast recht, der Großteil ist so, wie von dir beschrieben. Aber irgendwie finde ich es sehr wichtig, auf die Ausnahmen aufmerksam zu machen.
Und mein "Ziel" habe ich ja anscheinend erreicht, wie ich deinem letzten Satz entnehme. Allein, dass du, und vielleicht noch der eine oder andere Leser, daran erinnert wurde, dass nicht alle so sind wie von dir beschrieben, stimmt mich glücklich.

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